Historie

Turnverein Moorrege von 1913 e.V. – ein Rückblick

Am 13. März 1913 trafen sich etwa 20 jüngere Männer, darunter die Moorreger Lehrer Glashoff, Benecke und Roggenkamp, und als Mitglieder der „Uetersener Turnerschaft“ Heinr. Tellkamp, W. Stoldt und W. Harloff in „Rüthers Gastwirtschaft“, Heidrege, um über die Gründung eines Turnvereins zu sprechen. Bereits 6 Tage später, am 19. März 1913, folgte die offizielle Entstehung des „Turnverein Moorrege“; Lehrer Otto Glashoff wurde 1. Vorsitzender. Der Wirt Johannes Rüther lieh dem Verein 400 Mark zur Beschaffung von Turngeräten wie Reck, Pferd und Barren.
Gleich nach Ostern wurde mit dem Männerturnen begonnen und bald auch mit dem Kinderturnen. Ein erstes „Schauturnen“ mit Konzert und Ball im September 1913 war nur schwach besucht. Mehr Erfolg hatte zu Silvester das „Wintervergnügen“ mit Theater und Verlosung. Der Eintritt für Herren betrug 60 Pfennige, Damen hatten freien Eintritt, und die vier Musiker erhielten für die ganze lange Nacht 38 Mark. Im März 1914 wurde das erste Stiftungsfest gefeiert. Als Anfang August 1914 der Krieg ausbrach, mußten die meisten jungen Turner bald an die Front. Der Vorstand bemühte sich um einen notdürftigen Turnbetrieb, außerdem um Liebesgaben für die Soldaten und die Jugendwehr.
Nach Ende des Krieges begann 1919 ein neues reges Vereinsleben. Geräteturnen blieb zwar die Hauptsache, aber im Sommer wurde auch Leichtathletik, Faustball und Schlagballspiel betrieben. Bei Wettspielen mit Esingen, Ellerhoop, Hetlingen, Heist und anderen ländlichen Vereinen wurde Schlagball meist auf einer Weide gespielt, und wenn dabei ein Spieler im Kuhfladen ausrutschte, war das Vergnügen der Mitspieler und der Zuschauer besonders groß. Im Juli 1920 entstand eine Damenriege, für die damalige ältere Generation war Damenturnen noch anstößig und unfein. Im gleichen Jahr wurde für die im Kriege gefallenen Turner ein Gedenkstein im Garten bei Rüther errichtet und eingeweiht. Dieser Gedenkstein ist dann viele Jahre später, am 31.12.1960 mit eigenen Kräften zum neuen Friedhof bei der Moorreger Kirche umgesetzt worden. Umgeben von einer schönen Anlage unter hohen Eichen trägt der Findling die Namen der gefallenen Turner.
Ein Höhepunkt im Vereinsgeschehen war am 5. Juni 1923 das zehnjährige Stiftungsfest, verbunden mit Fahnenweihe und Umzug durch das mit Ehrenpforten und Girlanden reich geschmückte Moorrege. Die Beteiligung war groß, obwohl wegen der Inflation 3.000,- Mark Eintritt gefordert wurde. Der Verein hatte eine Einnahme von 1.296.000,- Mark. Wegen der Geldentwertung hatte der Verein große Schwierigkeiten mit der Beschaffung der Fahne, sie wurde Tag um Tag teurer. Erst mit dem Ende der Inflation im November 1923 kamen wieder geordnete Verhältnisse in das Kassenwesen des Vereins.
Von 1924 an lief der Turnbetrieb recht unterschiedlich weiter, es war in allen Abteilungen ein Auf und Ab, bedingt durch verschiedene Ursachen. In der Vereinsführung gab es häufig Veränderungen, weil Vorstandsmitglieder oder Vorturner ihre Ämter niederlegten, sei es aus Mangel an Zeit, aus Verärgerung über irgendwelche Vorkommnisse oder einfach wegen Unlust an übernommenen Pflichten. In den verschiedenen Turnabteilungen, besonders beim Knaben und Mädchenturnen, fehlten oftmals Leiter, die geeignet waren und Freude am Turnen mit Kindern hatten. Denn alle Tätigkeiten im Verein wurden ehrenamtlich geleistet; finanzielle Zuwendungen waren bei den niedrigen Vereinsbeiträgen nicht möglich. Im Winter war das Turnen im kalten Saal nicht angenehm, und die Kinder blieben lieber zu Hause. Auch bei den erwachsenen Turnern kam es vor, daß sie in der Gaststube beim Grog hängen blieben und aus dem Turnen nichts wurde.
Herausragende Turnveranstaltungen jener Zeit waren die Gerätewettkämpfe, die regelmäßig zwischen den Vereinen Ellerhoop, Esingen und Moorrege im Frühjahr oder Herbst an einem Sonntagnachmittag ausgetragen wurden. Die Veranstaltung ging reihum und wurde jeweils im Saal der Vereinsgaststätte durchgeführt. Vorbild dafür waren die Städte Turnwettkämpfe zwischen Hamburg, Berlin und Leipzig am Karfreitag und am Bußtag. Der Verein selbst feierte jährlich im Sommer das Stiftungsfest mit Wettkämpfen und Festball, im Winter gab es die allgemein beliebten Turnermaskeraden mit Apfelsinen und Wurstbude und allerlei Ulk. Zum festen Bestandteil im Vereinsgeschehen gehörten auch Himmelfahrtswanderungen, die morgens um 6 Uhr begannen und unterschiedlich verliefen. Mit Frauen und Kindern wurden Spaziergänge in die schöne Umgebung und in der frühlingshaften Natur gemacht. Wenn die Männer unter sich waren, kamen sie allerdings oft alkoholisiert nach Hause. Einige Jahre wurde Silvester gemeinsam im „Moorreger Hof“ bei Andrews in fröhlicher Runde gefeiert. Silvester-Zeitungen aus den Jahren 1929/30 und 30/31 bezeugen das.
Wie sehr das Vereinsleben von seinem 1. Vorsitzenden bestimmt werden kann, zeigte sich, als im Januar 1932 der Moorreger Lehrer Fritz Noack gewählt wurde. Unter seiner Führung begann ein neues Aufblühen aller Abteilungen. So wurde im April 1932 die Damenabteilung wieder aufgebaut mit Hans Stüben als zuverlässigem und befähigtem Leiter. Herr Noack selbst übernahm die Leitung des Kinderturnens in liebevoller, aber straffer Weise, und er konnte die Erwachsenen zur besseren Mitarbeit motivieren. 1933 entstand sogar ein Trommler und Pfeiferkorps unter Friedrich Schultheiß. Bei einer Vereinswanderung in den Esinger Wohld trat er zum ersten Mal öffentlich auf. Im Jahre 1935 wurde der TVM in das Vereinsregister beim Amtsgericht Uetersen eingetragen. Auf dem Höhepunkt dieser Blütezeit des Vereins kam die bittere Nachricht: Unser 1. Vorsitzender Fritz Noack hatte seine Versetzung zum 1. April 1936 als Lehrer nach Relliehausen irn Solling erhalten. Aus diesem Anlaß veranstaltete der Turnverein am 19. März 1936 einen großen Abschiedsabend, an dem sich mit 50 Teilnehmern fast alle aktiven und passiven Mitglieder beteiligten. Ein Foto erinnert an diese harmonische Veranstaltung.
Nachfolger als 1. Vorsitzender wurde Heinrich Tellkamp. Er konnte als selbständiger Handwerksmeister nicht fortsetzen und erhalten, was Fritz Noack aufgebaut hatte. Dazu kam die politische Entwicklung in der NS-Zeit. Männer und Frauen, Jungen und Mädchen wurden durch freiwillige oder erzwungene Mitgliedschaft in NS-Organisationen mit unbedingter Dienstpflicht voll beansprucht. So kam die turnerische Arbeit in allen Abteilungen mehr und mehr zum Erliegen. Ein Kameradschaftsabend für Mitglieder wurde aus Anlaß des 25-jährigen Bestehens des TVM noch am 19. November 1938 veranstaltet. Am 7. Januar 1939 fand die letzte ordentliche Jahreshauptversammlung statt, das war das vorläufige Ende des Turnvereins, denn im gleichen Jahr begann der zweite Weltkrieg. Es geschah nichts mehr.
Die Neugründung des Turnverein Moorrege begann erst im Jahre 1953. Das alte Vereinslokal „Rüthers Gasthof“, das während und nach dem Krieg anderen Zwecken diente, wurde von seinem neuen Besitzer als Gaststätte „Däbritz -Waldeslust“ wieder eröffnet. Da fragten ehemalige Turner nach dem Verbleib der Turngeräte. Sie waren im Krieg ausgelagert und angeblich von anderen Vereinen übernommen worden. Meinungen wurden laut, daß man diese Turngeräte zurückfordern sollte, wenn nicht für einen Turnverein, dann doch für die Schule der Gemeinde Moorrege. Ansprüche auf Rückgabe konnten aber nur von einem Nachfolgeverein gestellt werden. Deshalb wurde am 24. September 1953 zu einer Versammlung zwecks Neugründung des Turnverein Moorrege eingeladen. Die Resonanz war überraschend. Die zahlreichen Besucher sprachen sich einstimmig für eine Neugründung des Turnverein Moorrege aus, es gab sofort 31 Beitrittserklärungen. Ein vorläufig gewählter Vorstand nahm unverzüglich die umfangreiche Arbeit auf. Neue Satzungen wurden erarbeitet, die Suche nach den Turngeräten begann, mit anderen Vereinen wurde Rücksprache geführt, eine interne Diskussion über die Zweckmäßigkeit eines Zusammenschlusses mit dem 1947 gegründeten „Moorreger Sportverein“ verlief negativ. Eindeutig war der Wille der neuen Mitglieder, wieder turnen zu wollen. Die Arbeit war erfolgreich! Der Barren mit zerbrochenen Holmen stand in der Glinder Schule, er wurde von den Turnern selbst repariert. Aus Neuendeich kamen Kinderbarren und Turnmatten zurück, und schließlich fand man in der Uetersener Turnhalle an der Parkstraße Reck, Pferd und Bock, auch 20 Keulen, die mit dem“ TVM“ gekennzeichnet waren und ihm gehörten. Alle Geräte wurden ohne Einwendungen zurückgegeben.
Damit begann das erste Turnen im Saal von „Däbritz -Waldeslust“. Es gab gleich vier Abteilungen: Männer-, Frauen-, Knaben und Mädchenturnen. Das der Wirt Arthur Däbritz damals den Saal kostenlos zur Verfügung stellte, war ein großes Entgegenkommen. Weil das Parkett der Tanzfläche erheblich beschädigt war, konnten nur die Seiten und für das Reck die Bühne benutzt werden. Aber der Übungsbetrieb lief. Es begann eine stetige Entwicklung mit nur zeitweilig kurzen Rückschlägen, besonders im Winter, wenn das Turnen im eiskalten Saal wirklich keine Freude machte.
Am „Nordmark Turnfest“ in Flensburg 1955 nahmen vom TVM 5 Turnerinnen und 5 Turner aktiv teil. Im Juni 1959 wurde zur Einweihung der Deutschen Turnschule ein Sternstaffellauf durchgeführt, den die Moorreger Turnerinnen und Turner mit 26 Teilnehmern von der Pinnaubrücke bis nach Holm bestritten.
Ein besonders bedeutungsvoller Tag wurde für den Turnverein der 3. Juni 1960 durch die Einweihung der Turnhalle bei der neuen Schule an der Klinkerstraße. Ein Traum der Turnerinnen und Turner erfüllte sich, ihnen stand eine richtige Turnhalle zur Mitbenutzung zur Verfügung. Zwar gab es um die Hallenzeiten nachmittags und abends anfänglich Reibereien mit anderen örtlichen Vereinen, die auch ihren Sport dort betreiben wollten. Doch wurde von der Gemeinde eine Regelung erreicht, die zwar nicht alle Wünsche erfüllen konnte, aber angenommen wurde. Aus der Turnabteilung der Damen wurde die Gymnastikgruppe, sie wurde sehr schnell die größte und aktivste Abteilung im Verein. Einige Jahre turnten die Moorreger Männer mit älteren Turnern aus Heist gemeinsam.
Aus Anlaß des 50-jährigen Vereinsjubiläum gab es am 6. April 1963 einen „geselligen Abend“ für Mitglieder im „Moorreger Hof“. Die öffentliche Veranstaltung mit Kommers, turnerischen Vorführungen und Festball fand am 22. Juni 1963 bei „Däbritz -Waldeslust“ statt. Viele Gäste aus Moorrege, vom Kreisturnverband, vom Kreissportverband und von benachbarten Vereinen nahmen daran teil.
Als 1975 erstmals die Zahl der Vereinsmitglieder auf über 300 angestiegen war, wurde vom Vorstand über die gerichtliche Eintragung ins Vereinsregister beraten und auf seine Empfehlung am 7. Februar 1976 von der Jahreshauptversammlung beschlossen. Den Rechtsvorschriften entsprechend trat der gesamte Vorstand zurück, und es folgte die „Gründungsversammlung des Turnverein Moorrege e. V.“. Der Vorstand wurde neu gewählt und die vorbereiteten neuen Satzungen beschlossen. Nach Einreichung dieser Unterlagen beim Amtsgericht in Uetersen wurde die Eintragung ins Vereinsregister rechtswirksam.
Das letzte große Ereignis für die Moorreger Schulen, für die sporttreibenden Vereine und für die ganze Gemeinde war die Einweihung der großen Sporthalle mit gemeindlichen Sonderräumen beim Schulzentrum „Himmelsbarg“ am 26. Januar 1979. Die große dreifach teilbare Halle stand den örtlichen Vereinen ebenfalls nachmittags und abends zur Verfügung. So konnte der Turnverein seine Sparten und Übungsgruppen ausbauen. Aus anfänglich 4 Abteilungen sind bis jetzt 15 Gruppen geworden. Die Übungsstunden werden von lizensierten Übungsleitem geleitet, deren Ausbildung in aufwendigen Lehrgängen vom Verein gefördert wurde.
Zu den regelmäßigen Veranstaltungen gehören die Vereinsmeisterschaften, es sind Turnwettkämpfe für Jugendliche in verschiedenen Altersklassen. Dabei wird in unregelmäßigen Abständen ein Schauturnen aller Gruppen gezeigt. Auch führte die EMG („ElbeMarsch-Gemeinschaft“: Haseldorf, Heist, Hetlingen, Holm, Moorrege) jährliche Wettkämpfe für Jungen und Mädchen in getrennten Altersklassen durch. Auf Kreisebene stellte die EMG gute Wettkampf-Mannschaften mit Beteiligung Moorreger Turnerinnen und Turner. Der Geselligkeit dienten von 1956 bis 1978 die Vereinsausfahrten, zuerst als Halbtagsfahrten in die nähere Umgebung, später als Ganztagsfahrten zu weiter entfernten Zielen. Wegen nachlassender Beteiligung wurden diese Fahrten aufgegeben und dafür vom Festausschuß sorgfältig geplante und vorbereitete „Tennenfeste“ veranstaltet, die bei guter Beteiligung viel Anklang fanden. Erst in den letzten Jahren hat der Festausschuß des TVM wieder Ausfahrten organisiert, von denen die Ausflüge per Schiff die Pinnau hinab nach Krautsand oder in die Stader Geest zum Boßeln, allen Beteiligten in guter Erinnerung geblieben sind.
Die Himmelfahrtswanderung, an der sich früher jedes Vereinsmitglied beteiligen konnte, ist 1975 von der Männergruppe wiederbelebt worden und zu einer Radwanderung mit besonderem Stil geworden: vormittags noch reine Männersache, wird der Tag gemeinsam mit den Frauen und Kindern bei einem Grillfest beendet. Auch in der Adventszeit feiern alle Gruppen nach eigenem Ermessen getrennt. Besonders für die verschiedenen Kindergruppen planen die Übungsleiter ihre Veranstaltungen abwechslungsreich mit immer neuen Ideen.
Auf der Jahreshauptversammlung 1987 begrüßte der 1. Vorsitzende das 500. Mitglied des Verein mit einer Anerkennung. 1995 wird der TVM sein 700. Mitglied begrüßen können.
Das Jahr 1988 war für den „Turnverein Moorrege von 1913 e.V.“ wieder ein Jubiläumsjahr, 75 Jahre seit seiner Gründung. Schon 1987 wurde ein erweiterter Festausschuß gebildet, der die Veranstaltungen und Feiern vorbereiten sollte. Es gab viel zu bedenken. Eine Festschrift wurde entworfen. Einige Damen der Gymnastikabteilung bastelten zusammen mit den Müttern der Mutter- und Kindgruppe den Festschmuck für die große Halle am „Himmelsbarg“. Am 29. April 1988 war es dann soweit: mit einem großen Empfang in der festlich geschmückten Halle mit vielen geladenen Gästen und allen örtlichen und nachbarlichen Vereinen wurde das Jubiläum gefeiert. Am nächsten Tag konnten die Moorreger Einwohner beim Tanz in den Mai dabei sein. Der Andrang war so überwältigend, daß der TVM-Festausschuß noch zusätzlich Stühle und Tische organisieren mußte. Am 1. Mai wurden die Feierlichkeiten mit dem plattdeutschen Theaterstück „De Düvelsblitz“, aufgeführt von der Theatergruppe Ahrenlohe, abgeschlossen.
In den 6 Jahren seit unserem Vereinsjubiläum hat sich einiges getan im TVM. Die Mitgliederzahlen wachsen stetig. 10-jähriges Bestehen innerhalb des Vereins feierten 1989 die Sportkegler, das gleiche Jubiläum konnten 1991 die Mutter-und-Kind-Abteilung mit einem großen Spielfest in der Halle am „Himmelsbarg“ begehen.
Nach den Sommerferien 1989 wurde die Sparte Rhönrad Turnen ins Leben gerufen. Dank der Hilfe von Hagen Wehrend, Fachwart für Rhönradturnen im Kreis, konnten die Turnerinnen und Turner dieser faszinierenden Sportart bald große Erfolge auf Kreis und Landesebene erzielen.
Im laufe der Zeit kamen noch weitere Sparten hinzu, im Mai 1991 Badminton und seit neustem bieten wir auch Sitzgymnastik und Yoga an, die sich großer Beliebtheit erfreuen.
Alle guten Wünsche und weitere gedeihliche Entwicklung unseres TURNVEREIN MOORREGE in den kommenden Jahren stehen am Ende dieses Rückblickes und mögen Ausblick in die Zukunft sein.
Hans Teilkamp
Hans-Peter Stüben